Sprache und Kultur sind untrennbar miteinander verbunden.
Sprache ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch ein wichtiger Träger kultureller Identität. Sie prägt unser Denken, unsere Werte und unsere Sicht der Welt.
Kultur umfasst Traditionen, Normen, Werte, Kunst, Geschichte und soziale Praktiken einer Gemeinschaft. Durch Sprache werden kulturelle Inhalte weitergegeben und bewahrt.
In der Gebärdensprachgemeinschaft wird dies besonders deutlich: Die Gebärdensprache ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen Identität gehörloser Menschen.
Die Gehörlosenkultur umfasst die einzigartigen Werte, Traditionen und sozialen Praktiken der Gebärdensprachgemeinschaft. Sie basiert auf visueller Kommunikation und einer starken Gemeinschaft.

Hier einige Beispiele:

  1. Sprache und Kommunikation
    – Gebärdensprachen (z.B. Deutsche Gebärdensprache – DGS) als zentrale Identität der Gemeinschaft
    – Visuelle Ausdrucksformen, z.B. Mimik und Körpersprache als wichtiger Bestandteil der Kommunikation
  2. soziale und kulturelle Traditionen
    – Gehörlosenschulen als wichtige Zentren der Bildung und kulturellen Entwicklung
    – Gehörlosenvereine und -verbände, die Treffen, Veranstaltungen und politische Interessenvertretung organisieren
  3. Kunst und Literatur
    – Gebärdensprachpoesie: künstlerische Ausdrucksform mit Rhythmus, Bewegung und Mimik
    – Theater und Film in Gebärdensprache, oft mit besonderen Erzähltechniken
    – Erzählkultur: Geschichten werden visuell und mit kreativen Gebärden vermittelt
  4. Feste und Veranstaltungen
    – Gehörlosenfestivals wie die „Deaflympics“ (Olympische Spiele für Gehörlose) oder Gebärdensprachkulturfestivals
    Internationaler Tag der Gebärdensprachen zur Anerkennung der Gebärdensprachgemeinschaft
  5. Gemeinschaft und Identität
    – Starke Gemeinschaftsbindung durch gemeinsame Erlebnisse und visuelle Lebensweise
    – Visuelle Alarm- und Informationssysteme wie Lichtsignale statt Klingeln oder Vibrationsalarm

Die Gehörlosenkultur ist nicht einfach eine „Behindertenkultur“, sondern eine eigenständige kulturelle Identität mit einer reichen Geschichte und Tradition.

Das typische Verhalten gehörloser Menschen ist stark von ihrer visuellen Kommunikation und ihren kulturellen Gewohnheiten geprägt. Hier einige Beispiele, die in der Gehörlosenkultur häufig anzutreffen sind:

  1. Kommunikationsverhalten
    – Direkter Blickkontakt ist unerlässlich, da Gebärdensprachen visuell sind. Das Unterbrechen des Blickkontaktes kann als unhöflich empfunden werden.
    Deutliche Mimik und Körpersprache werden intensiv eingesetzt, da sie wichtige grammatikalische und emotionale Informationen in der Gebärdensprache vermitteln.
    Auf den Tisch klopfen oder winken, um Aufmerksamkeit zu erregen, anstatt zu rufen oder zu schreien.
    Lichtsignale oder Vibrationen verwenden, um sich bemerkbar zu machen (z.B. Licht an- und ausschalten).
  2. soziales Verhalten
    – Direkte und offene Kommunikation: Gehörlose sprechen oft sehr direkt über Themen, die Hörende manchmal als zu ehrlich oder direkt empfinden.
    – Längere Verabschiedungen: Verabschiedungen dauern bei Gehörlosen oft länger, da noch viele Informationen ausgetauscht werden müssen.
    – Starker Gemeinschaftsbezug: Gehörlose fühlen sich oft als Teil einer eigenen Kultur und pflegen enge Netzwerke innerhalb der Gebärdensprachgemeinschaft.
  3. Alltagsverhalten
    – Verwendung von visuellen Hilfsmitteln: Videotelefonie in Gebärdensprache oder Untertitel in Filmen sind oft Standard.
    – Multitasking mit den Händen: Während eines Gesprächs kann z.B. gleichzeitig gegessen oder geschrieben und gebärdet werden.
    – Betonung der visuell-räumlichen Orientierung: Räume werden oft so gestaltet, dass alle Gesprächsteilnehmer gut zu sehen sind (z.B. runde Sitzordnung).

Diese Verhaltensweisen sind keine „Eigenheiten“, sondern Anpassungen an eine visuell-zentrierte Lebensweise und gehören zur kulturellen Identität der Gehörlosengemeinschaft.

Hier einige Unterschiede zwischen der gehörlosen und der hörenden Gesellschaft in Stichworten:

  1. Kommunikation
    – Gehörlose Gesellschaft: Visuelle Kommunikation durch Gebärdensprache, Mimik und Körpersprache
    – Hörende Gesellschaft: Auditive Kommunikation durch Lautsprache und Tonfall
  2. Aufmerksamkeit & Kontaktaufnahme
    – Gehörlose Menschen: Klopfen, Winken, Lichtsignale oder Vibrationen, um Aufmerksamkeit zu erregen.
    – Hörende: Rufen, Schreien oder Geräusche machen
  3. Kultur & Identität
    – Gehörlose: sehen Gehörlosigkeit oft nicht als Behinderung, sondern als kulturelle Identität
    – Hörende: Betrachten Gehörlosigkeit eher als medizinisches Problem oder Defizit
  4. Soziale Interaktion
    – Gehörlose: Gespräche sind oft direkter, intensiver und länger, starker Gemeinschaftssinn
    – Hörende: Kommunikation kann indirekter sein, Höflichkeitsfloskeln spielen eine größere Rolle
  5. technische Hilfsmittel
    – Gehörlose: Nutzen visuelle Hilfsmittel wie Gebärdensprachvideotelefonie, Lichtsignale, Untertitel
    – Hörende: Benutzen hauptsächlich auditive Hilfsmittel wie Telefon, Radio, Lautsprecher
  6. Wahrnehmung der Umwelt
    – Gehörlose: Achten mehr auf visuelle Details, Bewegungen und Lichtveränderungen
    – Hörende: Verlassen sich mehr auf akustische Signale und Hintergrundgeräusche
  7. Bildungs- und Arbeitsumfeld
    – Gehörlose: Bevorzugen barrierefreie Kommunikation mit Gebärdensprachdolmetschern oder visuellem Material
    – Hörende: Lernen und arbeiten hauptsächlich mit gesprochener Sprache und auditiven Informationen.

Diese Unterschiede zeigen, dass die Gehörlosengemeinschaft eine eigenständige kulturelle Gruppe mit eigenen Normen, Werten und Kommunikationsformen ist.

Ja, ein typisches Beispiel für die Gehörlosengemeinschaft ist, dass sie oft die letzten Gäste in einem Lokal sind. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. intensiver Austausch
    – Gehörlose Menschen haben oft einen ausgeprägten Gemeinschaftssinn und tauschen sich gerne aus, besonders wenn sie selten die Gelegenheit haben, sich persönlich zu treffen.
    – Gespräche in Gebärdensprache sind oft ausführlicher und detaillierter, da Mimik, Gestik und visuelle Beschreibungen mehr Zeit in Anspruch nehmen.
  2. Lange Verabschiedungen
    – In der Gehörlosenkultur dauern Verabschiedungen oft länger als bei Hörenden.
    – Es ist üblich, sich mehrmals zu verabschieden, noch ein letztes Thema anzusprechen und weiter zu diskutieren, bevor man wirklich geht.
  3. Raum für visuelle Kommunikation
    – In einem Lokal wird oft eine optimale Sitzordnung gewählt, um alle im Blick zu haben.
    – Beim Gehen wird oft draußen weiter kommuniziert, weil Gespräche nicht abrupt enden.
  4. keine Ablenkung durch Hintergrundgeräusche
    – Während Hörende sich oft durch Musik oder laute Gespräche in einer Bar/einem Lokal gestört fühlen, hat dies auf Gehörlose keinen Einfluss – sie konzentrieren sich auf die visuelle Kommunikation und merken nicht, wenn das Personal sie „nach draußen komplimentieren“ möchte.

Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Gehörlosenkultur in sozialen Situationen von der hörenden Gesellschaft unterscheidet!

Links: Eine hörende Person ruft „Hallo“, um die Aufmerksamkeit einer anderen hörenden Person auf sich zu lenken.
Rechts: Die gleiche Person tippt einem Gehörlosen leicht auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.

Das Bild zeigt den Unterschied zwischen der Ansprache von hörenden und gehörlosen Menschen.

Linkes Bild (Nicht so...): Die Person gebärdet im Gegenlicht. Gesicht und Hände erscheinen als dunkle Silhouette. Die Gebärden sind schwer zu erkennen.
Richtiges Bild (... aber richtig so!): Die Personen stehen richtig mit dem Licht im Rücken. Gesicht und Hände sind gut ausgeleuchtet und sichtbar. Die Gebärden sind gut erkennbar.

Das Bild zeigt den richtigen und falschen Umgang mit Licht beim Gebärden:

Der Dolmetscher sitzt dem Gehörlosen gegenüber, während der hörende Gesprächspartner neben ihm sitzt, damit der Gehörlose beide gleichzeitig besser sehen kann.

Das Bild zeigt die Sitzordnung bei einem Gespräch mit einem Gebärdensprachdolmetscher.

Der Hörende benutzt einen herkömmlichen Wecker mit Signalton.
Um rechtzeitig aufstehen zu können, benötigen Gehörlose spezielle technische Hilfsmittel, wie z.B. einen Lichtwecker oder einen Vibrationswecker, der unter das Kopfkissen gelegt wird.

Die Abbildung zeigt eine hörende und eine gehörlose Person aufstehen.

Die Hörenden werden durch den lauten Straßenverkehr gestört. Die Gehörlosen können sich ungehindert unterhalten, da ihre Kommunikation visuell erfolgt.
Dies ist ein Vorteil der Gebärdensprache in lauter Umgebung.

Das Bild zeigt eine Gruppe von Menschen an einem Zebrastreifen, darunter auch Gehörlose.

Eine Person will eine Kerze anzünden. Ein Gehörloser bittet sie darum, dies nicht zu tun. Gehörlose brauchen freie Sicht, um in Gebärdensprache zu kommunizieren. Gegenstände in der Mitte des Tisches stören den Blickkontakt. Sie sollten entfernt werden.

Das Bild stellt einen störenden Gegenstand in einem Restaurant dar.

In der Gehörlosenkultur zieht sich die Verabschiedung oft bis ins Treppenhaus, da Gespräche in Gebärdensprache intensiv sind und nicht abrupt enden.

In der Gehörlosenkultur gibt es lange Abschiede.

Eine Gruppe von Gehörlosen, die sich trotz der Schließung des Restaurants noch intensiv unterhalten. Dies ist ein Ausdruck der Kultur der Gehörlosen, in der Gespräche oft lange dauern und nicht abrupt enden, auch wenn das Lokal schon schließen will.

Gehörlose bleiben bis zum Schluss.

Großer Dank an den tauben Karikaturisten Paul Dinkel aus Bayern.
Bei Interesse gerne Kontakt per E-Mail: pauldinkel(at)outlook.de aufnehmen.
Die Bilder unterliegen dem Copyright von ManVisCom dürfen nicht nachgedruckt werden.

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